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Der Klimagipfel in Baku stand unter ungünstigen Vorzeichen, das Verhandlungsklima war schlecht, die Ergebnisse sind dementsprechend. Ein kurzer Überblick.

Dietmar Mirkes - Die COP29 in Aserbeidschans Hauptstadt Baku sollte der Klimagipfel der Finanzen werden, aber es kam anders: Gleich zum Auftakt setzten zwei wichtige Männer den Ton: Ilham Alijev, Präsident des Gastgeberstaates Aserbeidschan, dessen Haushalt zu 2/3 von den Einnahmen aus dem Export von Öl und Gas abhängt, erklärte auf dem Gipfel der Staatschefs, dass Öl und Gas „Geschenke Gottes“ seien, und Sitzungspräsident Muktar Babayew winkte den Entwurf des Beratenden Komitees zu Artikel 6 über die Kohlenstoffmärkte ohne weitere Rücksprache mit den Mitgliedsstaaten durch. Der Klimagipfel zählte rund 65.000 Teilnehmer aus 198 Staaten; die größte Delegation auf der COP bildeten über 1700 Öl- und Gaslobbyisten.

Das Neue Gemeinsame Quantifizierte Finanzziel (NCQG)

Bis 2035 sollen die Industrieländer ihre jährlichen Zahlungen an Entwicklungsländer aus öffentlichen und privaten Mitteln auf 300 Milliarden US-Dollar erhöhen. Insgesamt sollen aus weiteren Quellen jährlich 1,3 Billionen Dollar an Klimafinanzierung fließen, u.a. über multilaterale Entwicklungsbanken, Einnahmen aus dem Kohlenstoffmarkt und von reicheren Schwellenländern und Ölstaaten, die dies auf freiwilliger Basis tun (China hat bereits über 25 Mrd. Dollar an andere Entwicklungsländer gegeben); es gibt aber keine klaren Vorgaben, welche Quelle wie viel bringen soll. Die Entwicklungsländer hatten – basierend auf zahlreichen Studien – 1,3 Billionen Dollar jährlich gefordert, mit festen Unterzielen für Treibhausgasreduktionen, Anpassung und Verluste und Schäden (Loss & Damage).

Zivilgesellschaftliche Aktion zum Finanzziel im Vorfeld der COP29.
(copyright Lise Bockler)

Auch stellen die 300 Milliarden keine Verdreifachung des alten Zieles von 100 Milliarden dar, da die Anteile von öffentlichen Geldern und Krediten nicht festgelegt sind. Deshalb befürchten die Entwicklungsländer, durch einen höheren Anteil von Krediten noch tiefer in die Verschuldungsfalle zu sinken; dies gilt erst recht für die in Aussicht gestellte weitere Billion. Und diese beiden Ziele sollen ja erst 2035 erreicht werden. Sprecher von Entwicklungsländern und aus der Zivilgesellschaft warfen den Industrieländern „Flucht aus der Verantwortung“ vor.

Weitere Finanzziele und Emissionsminderung

Die Mittel für Anpassung sollen deutlich erhöht werden, allerdings auch hier ohne eine konkrete Zahl zu nennen. Für Loss & Damage wurde nur festgestellt, dass es eine große Lücke zwischen Bedarf und den bisher zugesagten Mitteln gibt. Der Loss & Damage-Fonds enthält jetzt durch ein paar weitere Zusagen während des Gipfels 759 Millionen Dollar.

Der „Übergang weg von den fossilen Energien“, den die Industriestaaten als das Hauptergebnis der COP28 gefeiert hatten, wird auf Druck Saudi-Arabiens hin im Abschlussdokument namentlich überhaupt nicht mehr erwähnt; Gas wird als Übergangstreibstoff bezeichnet.

Der Kohlenstoffmarkt

In den Artikeln 6.2, 6.4. und 6.8 werden einige zusätzliche Kriterien für die Anerkennung von Kohlenstoff-Projekten genannt, allerdings kritisieren NGO-Vertreter diese als nicht ausreichend: So werden sogenannte CDM-Projekte vor allem für Waldschutz ohne neue Prüfung ihrer Zusätzlichkeit übernommen (dabei war dies eine Hauptkritik in unabhängigen Studien zu Waldprojekten). Des Weiteren könnten Staaten CO2 -Zertifikate von anderen Staaten ungeprüft übernehmen, sofern keine Ungereimtheiten darin aufgetaucht sind. Die Standards für Umwelt- und Menschenrechte sind in den Augen der Kritiker generell noch zu schwach und vor allem können nun auch sogenannte removal-Projekte, die Kohlendioxid wieder aus der Luft entnehmen, jetzt Emissionsrechte erzeugen. Die Anerkennung der sogenannten CCS-Projekte (Carbon Capture and Storage) war ein Hauptziel der Ölindustrie, da sie hierin bereits Milliardenbeträge investiert hat; zahlreiche Stimmen aus der Zivilgesellschaft beklagten, dass das Tor für „falsche Lösungen“ weit geöffnet sei.

Das Klima auf dem Klimagipfel

In Baku stieg im Laufe der Tage bei vielen Vertretern aus dem Globalen Süden und der Zivilgesellschaft die Unzufriedenheit mit der Präsidentschaft. Sie kulminierte am Tag der Verlängerung: Am Samstagnachmittag verließen Vertreter der AOSIS (die Inselstaaten) und Teile der LDCs, der ärmsten Länder, vorübergehend das Plenum, weil der Präsident sie nicht vor der Formulierung der Schlussversion angehört hatte. Nachher wurde bekannt, dass er Saudi-Arabien hingegen Änderungen am Text erlaubt hatte. Die kleinen Inselstaaten und die ärmsten Länder akzeptierten zuletzt doch den Text, weil es ihnen wichtiger war, dass die COP überhaupt ein Ergebnis hatte.

Im nächtlichen Plenum, nach dem Beschluss der Endversion, beschwerten sich viele Staaten, darunter Indien, Nigeria und Bolivien, heftig über das undemokratische Verhalten des Präsidenten; Indien akzeptierte das Ergebnis nicht.

EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra äußerte sich zufrieden über die Ergebnisse, es begänne eine neue Ära der Klimafinanzierung und es gäbe neue Regeln für den Kohlenstoffmarkt. Die Lobbyisten der Öl- und Gasindustrie dürften auch zufrieden sein: Sie haben erreicht, was sie wollten.

 

Und in Luxemburg?

Raymond Klein - 600 Millionen Euro jährlich, das ist eine vorsichtige Schätzung dessen, was Luxemburg zur Klimafinanzierung eigentlich beitragen müsste. Am 8. November, drei Tage vor Beginn der Klimakonferenz COP29 in Baku, wurde diese Forderung im Rahmen einer zivilgesellschaftlichen Aktion an die Regierung gerichtet . Dabei ging es auch darum, der Öffentlichkeit den Sinn und die Wichtigkeit des angestrebten globalen Finanzierungsziel NCQG (New Collective Quantified Goal) zu vermitteln.

Drei Wochen später war klar, dass Baku „die COP aller Enttäuschungen“ war, wie es in einer Mitteilung der Plattform Votum Klima vom 2. Dezember heißt . Nicht nur die Industrieländer als Gruppe drücken sich vor ihren finanziellen Pflichten, auch die angekündigte Erhöhung der Luxemburger Beteiligung an der Klimafinanzierung bleibt mit 64 Millionen jährlich weit hinter den Forderungen zurück. Den Ländern des globalen Südens eine ausreichende Unterstützung zu versagen, stellt ein falsches Signal dar und ist fatal für die internationalen Anstrengungen, gemeinsam die Emissionen von Treibhausgasen zu reduzieren.

Das Kommuniqué erläutert unter anderem, dass die globale Forderung in Billionenhöhe durchaus finanzierbar wäre, sei es durch eine internationale Besteuerung der Öl- und Gasindustrie oder durch die Senkung der immensen Ausgaben für Rüstung. Gewarnt wird auch vor dem Risiko, dass die ärmeren Länder in ihrer Finanznot auf die Mechanismen des Artikels 6 zurückgreifen, und dabei womöglich statt Emissionssenkungen katastrophale ökologische und soziale „Nebeneffekte“ hervorrufen.

 

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