Nadine Haas – Anfang Februar 2020 ist die Empörung in den peruanischen Medien groß. Die Rede ist von einer „Bedrohung“, von einem „Dolchstoß in den Rücken“. Der damalige Energieminister Liu spricht von einer „Ungerechtigkeit“, Premierminister Zeballos von einer „Unverschämtheit“ und einer „Provokation“. Was ist passiert?
Der multinationale Konzern Odebrecht hat eine Klage gegen Peru eingereicht und verlangt 1.200 Millionen USD Schadensersatz. Der Odebrecht-Konzern ist nicht nur in Peru vor allem dadurch bekannt, dass er im Zentrum des größten Korruptionsskandals Lateinamerikas steht. Von dem Korruptionsskandal sind in Peru alle ehemaligen Präsidenten seit Alberto Fujimori betroffen, drei von ihnen sitzen derzeit unter Hausarrest wegen laufender Untersuchungen, einer von ihnen beging kurz vor seiner Verhaftung Selbstmord. Und der Konzern, der im Zentrum dieses Skandals steht, der Konzern, der die politische und juristische Agenda des Landes in den letzten fünf Jahren dominiert hat, klagt nun gegen den Staat Peru.
Diese Klage ist auch für Luxemburg heikel: sie wurde vor dem ICSID in Washington (siehe Kasten) eingereicht, Kläger ist eine in Luxemburg ansässige Odebrecht-Filiale (Odebrecht Latinvest SARL)1. Zudem stützt sich die Klage auf das bilaterale Investitionsabkommen zwischen Peru und der Wirtschaftsunion Belgien-Luxemburg, das 2005 unterzeichnet und 2008 in Kraft getreten ist.
Erdgas aus dem peruanischen Regenwald
Worum genau geht es bei der Odebrecht-Klage vor dem ICSID?
2014 wurde unter der Regierung von Präsident Ollanta Humala das Projekt einer Gaspipeline ausgeschrieben, welche Erdgas aus dem peruanischen Regenwald in der Gegend um Cusco über eine Distanz von mehr als 1.000 km über die Anden bis an die Küste im Südwesten Perus transportieren sollte. Diese Pipeline sollte, Präsident Humala zufolge, den Gaspreis verringern und so der peruanischen Bevölkerung von sechs Departements im Südwesten des Landes zugutekommen.
Das Projekt wurde (unter fragwürdigen Umständen2) an das Konsortium Gasoducto Sur Peruano (GSP) vergeben, an dem Odebrecht mit 55% beteiligt war. Darüber hinaus gehörten das spanische Unternehmen Enagás mit 25% und das peruanische Immobilien- und Bauunternehmen Graña y Montero3 mit 20% zum Konsortium. Der Konzessionsvertrag lief über 34 Jahre. 2015 wurde in der Gegend um Cusco mit den Arbeiten begonnen.
Das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID – International Centre for Settlement of Investment Disputes) ist eine Schiedsinstitution, die bei Streitigkeiten zwischen Staaten und Investoren vermittelt. Mit Sitz in Washington D.C. gehört das ICSID zur Weltbankgruppe. Das ICSID ist keine Rechtsprechungsinstitution, ICSID-Urteile können nicht von nationalen Gerichten aufgehoben werden. Grundlage für solche Schiedsverfahren sind bi- oder multilaterale Investitionsschutzabkommen. Gegründet wurde das ICSID 1966, Luxemburg ist Gründungsmitglied. Peru hat den Vertrag 1993 ratifiziert, derzeit gibt es 163 Unterzeichner- und Vertragsstaaten. Einige Länder sind nach einer Mitgliedschaft wieder ausgetreten, so zum Beispiel Bolivien 2007, Ecuador 2010 und Venezuela 2012. Das ICSID ist die bedeutendste Institution für Schiedsverfahren, daneben gibt es die International Chamber of Commerce (ICC) mit Sitz in Paris, die Stockholm Chamber of Commerce (SCC), das London Court of International Arbitration (LCIA) und das Permanent Court of Arbitration (PCA) in Den Haag. |
Zwei Jahre später jedoch, am 24. Januar 2017, beschloss die peruanische Regierung, mittlerweile unter Präsident Pedro Pablo Kuczynski, den Vertrag mit GSP zu beenden. Die Begründung lautete, dass es der Konzessionspartner auch nach zwei Fristverlängerungen nicht geschafft habe, die Finanzierung des Projektes zu garantieren. Mit dem Vertragsende stand dem peruanischen Staat eine Entschädigungssumme von 262,5 Millionen USD zu. Doch auch die Unternehmen des Konsortiums versuchten, ihre Investitionen zurückzuerlangen, jedoch vergeblich. Im Juli 2018 reichte Enagás eine Klage gegen den peruanischen Staat vor dem ICSID ein und forderte 408 Millionen € Schadensersatz; das Verfahren läuft noch4.
Anderthalb Jahre später dann, am 21. Januar 2020, klagt nun auch Odebrecht gegen Peru vor dem ICSID. In der Klage argumentiert Odebrecht, die Aufhebung des Konzessionsvertrags sei ein „harter Schlag“ gewesen angesichts der Tatsache, dass das Unternehmen bereits über eine Milliarde USD in das Projekt investiert hatte. Odebrecht habe finanzielle Verpflichtungen gegenüber Geldgebern und internationalen Versicherungsgesellschaften, denen man nachkommen müsse, und sehe sich deshalb zu dieser Klage gezwungen – auch wenn man eigentlich kein Interesse an einem Rechtsstreit mit dem peruanischen Staat hätte. Was in dem Odebrecht-Schreiben nicht erwähnt wird ist, dass sich die finanziellen Schwierigkeiten des Konzerns aus dem Korruptionsskandal (siehe unten) und dem darauffolgenden Konkurs ergeben haben. Als weiteres Argument führt Odebrecht an, Präsident Kuczynski habe bei der Beendigung des Vertrages aus persönlichen und nicht aus öffentlichen Interessen heraus gehandelt, denn er habe öffentlich verkündet, Odebrecht müsse sich aus Peru zurückziehen. Odebrecht fordert, entweder den Konzessionsvertrag für GSP zurückzubekommen, oder als Entschädigung die in GSP investierten Summen sowie Verfahrens- und Anwaltskosten.
Nachdem das ICSID in Washington die Klage auf ihre Zulässigkeit geprüft hatte, wurde sie Anfang Februar registriert und auf der Webseite veröffentlicht.
Odebrecht und der Lava Jato-Korruptionsskandal
Peru ist bereits über 20-mal vor dem ICSID verklagt worden5 und liegt damit unter den fünf Ländern weltweit mit den meisten Klagen. Warum ist die Empörung in diesem Fall so groß?
Das Odebrecht-Unternehmen wurde 1944 in Brasilien gegründet und wuchs zum wichtigsten Bauunternehmen in Brasilien und Lateinamerika heran. Die Geschäfte von Odebrecht boomten unter der brasilianischen Militärdiktatur (1964-1985) und das Unternehmen entwickelte sich zu einem multinationalen Konzern mit Filialen in 28 Ländern und 168.000 Mitarbeitern. Weltweit bekannt wurde Odebrecht durch seine Verstrickung in den größten Korruptionsskandal der brasilianischen Geschichte, die sogenannte Operação Lava Jato (siehe Kasten). Die Lava Jato-Ermittlungen begannen 2013, im Juni 2015 wurde der Konzernvorsitzende Marcelo Odebrecht verhaftet und im März 2016 wegen Korruption, Geldwäsche und Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation zu einer Freiheitsstrafe von knapp 20 Jahren verurteilt. Marcelo Odebrecht entschloss sich daraufhin, mit den Justizbehörden zusammenzuarbeiten und umfassend auszusagen, woraufhin seine Strafe auf 10 Jahre reduziert wurde. Die Aussagen von Marcelo Odebrecht und von 77 weiteren leitenden Angestellten des Odebrecht-Konzerns ergaben, dass zahlreiche brasilianische Politiker in die Korruptionsaffäre verwickelt waren.
Die Operação Lava Jato (Operation Autowäsche) hat ihren Namen von einer Tankstelle mit Autowäsche in Brasilia, in der auch Geldwechsel und Überweisungen getätigt wurden. Einer der dort Angestellten, Alberto Youssef, stand wegen des Verdachts auf Geldwäsche vor Gericht. In seinen Aussagen nannte Youssef zahlreiche Namen, unter anderem den eines Managers des brasilianischen Ölkonzerns Petrobras. Die Ermittlungen ergaben, dass Petrobras Aufträge zu überhöhten Preisen an Baufirmen vergeben hatte, darunter Odebrecht. Die Mehreinnahmen teilten sich Odebrecht und die anderen Bauunternehmen mit Petrobras-Mitarbeitern und Politikern. |
Doch der von Odebrecht geschaffene Korruptionsapparat war nicht auf Brasilien begrenzt. Die internationale Dimension des Skandals wurde Ende 2016 sichtbar, als an einem New Yorker Gericht ein Prozess gegen Odebrecht eingeleitet wurde, in Zusammenarbeit mit Justizinstanzen aus Brasilien und der Schweiz. In dem Verfahren zeigte sich, dass Odebrecht über einen Zeitraum von 15 Jahren Politiker in 10 weiteren Ländern Lateinamerikas sowie in Angola und Mosambik bestochen hatte. Ziel war es dabei, die Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen zu beeinflussen, vor allem großer Energie- und Infrastrukturprojekte.
In dem US-Prozess gab Marcelo Odebrecht unter anderem auch die Zahlung von 29 Millionen USD an peruanische Regierungsbeamte zwischen 2005 und 2014 zu. Daraus hatten sich für Odebrecht Einnahmen in Höhe von 143 Millionen USD ergeben. Daraufhin nahm die peruanische Justiz Anfang 2017 Ermittlungen gegen Odebrecht auf. Odebrecht hatte in Peru insgesamt 27 Filialen gegründet und war an zahlreichen Infrastrukturprojekten beteiligt. Zum Beispiel an der Carretera Interoceánica: diese Autobahn kostete statt der geplanten 850 Millionen USD am Ende 2,1 Milliarden USD – darin enthalten eine Bestechungssumme von 20 Millionen USD an den ehemaligen peruanischen Präsidenten Alejandro Toledo.
Die peruanische Justiz richtete eine Sonderermittlungsgruppe ein, wodurch mittlerweile weitere Details bekannt wurden. Die ehemaligen Präsidenten Alejandro Toledo, Alan García und Ollanta Humala werden beschuldigt, Millionen an Bestechungsgeldern erhalten zu haben (siehe Kasten). Als Folge des Skandals veranlasste der ehemalige Präsident Kuczynski eine Änderung des peruanischen Vergabegesetzes, wodurch der Staat keine Verträge mehr mit Unternehmen abschließen kann, die wegen Korruption verurteilt wurden. Im Januar 2017 verpflichtete sich Odebrecht dazu, 30 Millionen peruanische Soles (etwa 8 Millionen €) an illegalen Gewinnen zurückzuzahlen, mit der Justiz zusammenzuarbeiten und Informationen wie die Namen der bestochenen Beamten herauszugeben. In einer öffentlichen Erklärung entschuldigte sich das Unternehmen bei seinen Arbeitern und dem Land Peru.
Peruanische Präsidenten und ihre Verbindungen zu Odebrecht Alejandro Toledo (2001-2006): steht aufgrund eines internationalen Haftbefehls in den USA unter Hausarrest. Soll insgesamt 31 Millionen USD erhalten haben für die Konzessionsvergabe der Carretera Interoceánica Sur. Alan García (2006-2011): beging Selbstmord, um seiner Verhaftung zu entgehen. Soll Bestechungsgelder im Rahmen der Carretera Interoceánica Sur und der Metro Lima erhalten haben. Ollanta Humala (2011-2016): saß zusammen mit seiner Frau Nadine Heredia in Untersuchungshaft. Soll in den Jahren 2006 und 2011 3 Millionen USD an illegalen Wahlkampfspenden von Odebrecht erhalten haben. Nadine Heredia wird im Übrigen eine wichtige Rolle im Zustandekommen des GSP-Projektes zugesprochen. Pedro Pablo Kuczynski (2016-2018): musste 2018 vom Präsidentenamt zurücktreten, steht unter Hausarrest wegen Geldwäsche-Vorwürfen. Während seiner Zeit als Staatsminister (2004-2006) soll eine seiner Firmen mit Odebrecht verbundene Unternehmen beraten haben. Darüber hinaus gibt es kaum eine bedeutende Partei in Peru, die nicht über einige ihrer Parteimitglieder mit Odebrecht und illegalen Zahlungen in Verbindung gebracht wurde. Etwa Keiko Fujimori, Tochter von Alberto Fujimori, Präsidentin der Oppositionspartei Fuerza Popular, Präsidentschaftskandidatin 2016. Derzeit in Untersuchungshaft wegen Behinderung der Justiz während Geldwäsche-Untersuchungen ihrer Wahlkampagnen 2011 und 2016. |
Die jahrelange Bestechungspraxis von Odebrecht sowie die Aufdeckung des Skandals hatten für Peru massive Folgen, die weit über die betroffenen Bauprojekte hinausgehen. Die immer neuen und immer weitergreifenden Enthüllungen und Verwicklungen führten zu einem massiven Vertrauensverlust der Bevölkerung in die politische Klasse und einem allgemeinen Politiküberdruss. Im Zuge dessen löste der amtierende Präsident Vizcarra im September 2019 das Parlament auf und rief Neuwahlen aus6. Dieser Schritt wurde von Verfassungsrechtlern teilweise kritisiert, stieß jedoch in der Bevölkerung, in der das Parlament als Zentrum aller korrupten Machenschaften galt, auf Zustimmung. Bei den Wahlen vom 26. Januar 2020 wurden traditionelle Parteien abgestraft und kleinere Parteien gestärkt denen es gelungen war, sich als Außenseiter des politischen Systems darzustellen. Neun Parteien sind nunmehr in dem äußerst fragmentierten Parlament vertreten, die große Mehrheit der gewählten Abgeordneten sind Politikneulinge. Ob dieses Parlament in dem Zeitraum bis zu den nächsten regulären Wahlen im April 2021 die überfälligen politischen und Wahlrechtsreformen angehen wird, ist zu bezweifeln.
Odebrecht und die Luxemburg-Connection
Und welche Rolle spielt Luxemburg dabei?
Die Klage beim ICSID wurde von einer Odebrecht-Filiale mit Sitz in Luxemburg (Odebrecht Latinvest SARL) eingereicht. Der Mutterkonzern Odebrecht SA teilt sich in zahlreiche Tochterunternehmen auf, die Tochterfirmen sind wiederum in zahlreiche Subunternehmen in 25 Ländern auf 4 Kontinenten untergliedert. In Luxemburg sind derzeit fünf Odebrecht-Unternehmen registriert. Ein sechstes Unternehmen war bis Anfang 2016 in Luxemburg registriert, bevor es nach Österreich verlegt wurde. Alle diese Firmen wurden zwischen 2013 und 2017 gegründet, haben ihren Sitz an derselben Adresse in Luxemburg-Stadt, und beschäftigen insgesamt nur eine Handvoll Mitarbeiter. Die Manager der luxemburgischen Odebrecht-Filialen verwalten gleichzeitig mehrere Firmen des Konzerns in Luxemburg und in anderen Ländern.
Odebrecht Latinvest SARL war im März 2015 durch die luxemburgische Filiale der Consultingfirma Intertrust gegründet worden, ursprünglich unter dem Namen Luxembourg Investment Company 68. Das Firmenkapital betrug ursprünglich 35.000 USD; ein Jahr später hatte es sich auf 82 Millionen USD erhöht. Das Unternehmen ist mittlerweile eine 100%ige Tochtergesellschaft einer brasilianischen Odebrecht-Tochtergesellschaft (Odebrecht Participações e Investimentos). Aus den öffentlich zugänglichen Jahresberichten ergibt sich, dass das Unternehmen Darlehen an andere Unternehmen der Gruppe vergibt, zum Beispiel an Odebrecht Latinvest Peru und an die auf den Bahamas angesiedelte Offshore-Firma ODB International Corporation – eine von 17 Odebrecht-Offshore-Firmen, die auch in den Paradise Papers auftauchen und über die mutmaßlich die Zahlung von Bestechungsgeldern abgewickelt wurde.
Die luxemburgischen Odebrecht-Filialen haben keine realwirtschaftlichem Aktivitäten im Großherzogtum. Welchem Zweck sie dienen und warum sie sich gerade hier angesiedelt haben, ist aufgrund der intransparenten Firmenstruktur, der unübersichtlichen Verflechtungen und ständiger Namens- und Teilhaberwechsel nur schwer zu durchschauen. Wurden die luxemburgischen Tochterfirmen eingesetzt, um Steuern zu hinterziehen oder um Bestechungsgelder hin- und herzuschieben? Dies lässt sich von unserem Standpunkt aus nicht belegen. Die luxemburgische Justiz erhielt zwischen 2014 und 2017 mehrere Rechtshilfeersuchen von der brasilianischen Staatsanwaltschaft. Der Sprecher der luxemburgischen Justizverwaltung verweist jedoch darauf, dass man sich nicht zu brasilianischen Gerichtsverfahren äußern könne. Deshalb bleibt unklar, ob und welche Rolle die Luxemburger Odebrecht-Filialen in den brasilianischen Gerichtsverfahren spielen. Die Klage vor dem ICSID liefert nun jedoch immerhin den Beleg dafür, dass der Odebrecht-Konzern seine luxemburgischen Filialen als Hebel zu juristischen Zwecken einsetzt7.
Schluss und Ausblick
Das Odebrecht-Beispiel verdeutlicht die unrühmliche Rolle, die der Standort Luxemburg für Multis in einer globalisierten Welt spielt. Ist es normal, dass korrupte Unternehmen juristische Verfahren nutzen können, um das Land zu verklagen, das sie zuvor für ihre Geschäfte ausgenutzt haben? Und muss Luxemburg in solchen Machenschaften mitmischen?
Der Fall belegt zudem, dass die Warnungen, die Organisationen der luxemburgischen Zivilgesellschaft (wie etwa die Plattformen gegen TTIP und CETA) seit Jahren gegen ISDS-Mechanismen8 anbringen, berechtigt sind. Trotz dieser Warnungen wurde das CETA-Abkommen Anfang Mai mit den Stimmen der Regierungsparteien vom Parlament angenommen.
Was sind nun die nächsten Schritte in dem ICSID-Verfahren? Sowohl Odebrecht als auch Peru werden jeweils einen Schiedsrichter benennen, welche daraufhin einen Präsidenten für das Verfahren wählen. Daran anschließend werden Anhörungen durchgeführt und Beweise vorgelegt. Bis ein Schiedsspruch erlassen wird, werden aller Voraussicht nach noch mehrere Jahre vergehen.
Das GSP-Pipeline-Projekt, mittlerweile umbenannt in Sistema Integrado de Transporte de Gas al Sur (SIT Gas), ist übrigens nicht vom Tisch, sondern soll im Laufe des Jahres 2020 neu vergeben werden.
Quellen:
1 Die Verbindungen zwischen dem brasilianischen Odebrecht-Mutterkonzern und seinen luxemburgischen Tochterunternehmen standen im Zentrum der ASTM-Studie „Belo Monte, Odebrecht und die Luxemburg-Connection“ (2018). Teile dieses Artikels beruhen auf den damals durchgeführten Recherchen.
2 GSP erhielt den Konzessionsvertrag, nachdem der einzige andere Mitbewerber – ein Konsortium aus vier Unternehmen (TGI, GDF Suez, Sempra Energy, Techint) – nach Änderungen an der Aktionärsstruktur ausgeschlossen worden war. Diese Änderungen waren zunächst akzeptiert worden, doch nach einer erneuten Prüfung und zwei neuen Anwaltsgutachten wurde das Konsortium dann doch ausgeschlossen. Die peruanische Staatsanwaltschaft vermutet, dass die Anwaltsgutachten von Odebrecht beauftragt wurden.
3 Das peruanische Unternehmen Graña y Montero hat auch bei anderen Projekten Konsortien mit Odebrecht gebildet und steht ebenfalls in Peru wegen Korruptionsvorwürfen unter Anklage.
4 Laut ICSID-Webseite wurde die Enagás-Klage am 24. Juli 2018 eingereicht; im September 2019 hielt das Schiedsgericht eine erste Sitzung ab.
5 Die ICSID-Webseite listet insgesamt 26 Klagen gegen Peru auf, die älteste von 1998, die neueste von Anfang 2020. Von diesen Klagen sind 15 abgeschlossen, die meisten davon wurden abgewiesen. Von den 26 Klagen kommen sechs aus dem Öl/Gas-Sektor, sieben aus dem Elektrizitätssektor, und sieben betreffen Großinfrastrukturprojekte.
6 Im September 2019 veranlassten Bedenken hinsichtlich der Integrität der Kandidaten für das Verfassungsgericht Premierminister Salvador del Solar dazu, die Frage der Richterauswahl mit der Vertrauensfrage für sein Kabinett zu verknüpfen, der zweiten in der Legislaturperiode 2016-2021. Das Vertrauen wurde verweigert, wenn auch nicht durch ein formelles Misstrauensvotum. Infolgedessen sah Präsident Vizcarra diejenige Verfassungsbestimmung erfüllt, die ihn befugt, das Parlament nach zwei Misstrauensvoten gegen die Regierung aufzulösen. Dies tat er am 30. September 2019 und rief gleichzeitig dazu auf, am 26. Januar 2020 innerhalb der in der Verfassung vorgesehenen viermonatigen Frist Parlamentswahlen abzuhalten. Der Sprecher des aufgelösten Kongresses klagte am Verfassungsgericht gegen die Auflösung. Die Klage wurde jedoch am 13. Januar abgewiesen, womit Zweifel an der Legitimität der Wahlen beseitigt und die Position des Präsidenten gestärkt wurden.
7 Odebrecht ist dabei mit dieser Strategie kein Einzelfall. In einem 2019 im Brennpunkt publizierten Artikel hatte Pia Berhardt (Corporate Europe Observatory) aufgezeigt, dass in Zusammenhang mit dem umstrittenen Energiecharta-Vertrag (ECT) besonders viele ISDS-Klagen von Unternehmen oder Investoren mit Sitz in Luxemburg ausgehen.
8 Investor-State Dispute Settlement