Öl gegen Klima
Die Ouvertüre erklang wie üblich aus der fossilen Welt: Am 17.6. versteigerte Brasilien, der nächste Gastgeber des Klimagipfels, landesweit 172 Standorte für Ölförderrechte, 47 davon vor der Küste der Amazonasmündung, wofür sich 19 Bieter fanden.2
Brasiliens Präsident Lula begründete diese Versteigerung damit, dass sie viel Geld zur Bekämpfung der Armut brächte. Aber der Zeitpunkt zeigt, dass die Öl- und Gaslobby und das Ministerium für Bergbau sich nicht um die Glaubwürdigkeit Brasiliens als Gastgeber des nächsten Klimagipfels scheren. Auf der anderen Seite der Regierung stehen die erfahrene Ministerin für Umwelt und Klima, Marina Silva, und der Präsident der COP30, André Corrêa do Lago, der auch eine Reform der UN-Klimakonferenz befürwortet.
Zur Reform der Klimagipfel-Prozesse gab es am 23.6. einen weltweiten Aufruf von über 200 NGOs, den „United Call for an Urgent Reform of the UN Climate Talks“,3 der unter anderem Mehrheitsbeschlüsse, wenn kein Konsens zustande kommt, und die Beendigung der fossilen Dominanz vorsieht. Und – last but not least – wird es auf dem Gipfel in Belém einen großen Gegengipfel geben, den „People’s Summit“ – aber mehr dazu später …
Climate Finance
Einer der Beschlüsse der COP29 in Baku war das Neue Gemeinsame Quantifizierte Finanzziel (NCQG). Demnach sollen die Industrieländer ihre jährlichen Zahlungen für Klimaprojekte an die Entwicklungsländer bis 2035 auf 300 Milliarden Dollar erhöhen sowie um eine weitere Billion Dollar aus privaten Quellen mobilisieren. Die PanAfrican Climate Justice Alliance (PACJA) mahnte die Industriestaaten an ihre Pflicht aus Artikel 9.1 des Paris Agreements, den Entwicklungsländern Klimagelder in Form von Zuschüssen zur Verfügung zu stellen.(4) Und Awantika Goswami vom indischen Thinktank Centre for Science and Environment India beklagte, dass die Industrieländer sich jetzt vor allem auf Artikel 9.3 beziehen und – statt eigener Zuschüsse – Kredite auf dem privaten Geldmarkt „mobilisieren“(5) (siehe Kasten zum Artikel 9 des Paris Agreements). Rebecca Thissen von CAN-I skizzierte das neue Drehbuch des globalen Nordens so: „Sorry, there is no money!“(6) Und Teresa Anderson von Action Aid stellte dies in den größeren Zusammenhang der Privatisierung staatlicher Aufgaben: „Privates Geld wird in der Erwartung hoher Renditen verliehen; wir sehen, wie die Kohlenstoffmärkte expandieren und viele Gebiete für die Bindung von Kohlenstoff aus der Atmosphäre ‚besetzt‘ werden; die private Finanzierung ist ein ‚Trojanisches Pferd‘.“(7)

(Screenshot)
Andererseits sieht Annabella Rosemberg von CAN-I in den Verhandlungen zu Just Transition eine Öffnung für Belém, denn die Verhandlungsführer einigten sich auf neue Gespräche über gerechte Übergänge für Länder, Arbeitnehmer und Gemeinschaften.(8)
Artikel 9.1 und 9.3 des Paris Agreements1 . Developed country Parties shall provide financial resources to assist developing country Parties with respect to both mitigation and adaptation [.] 3 . As part of a global effort, developed country Parties should continue to take the lead in mobilizing climate finance from a wide variety of sources [.] |
Adaptation und loss and damage
Das Santiago Network soll Entwicklungsländern den Zugang zu Wissen, Ressourcen und technischer Hilfe für Klimarisiken erleichtern. Bei ihrem Treffen am 25.6. tauschten über 50 Vertreter von meist ärmeren Ländern in konstruktiver Stimmung ihre Erfahrungen aus. Das Netzwerk verfügt über Geldmittel für Staaten und für Gruppen aus der Zivilgesellschaft für capacity building. Allerdings wurden Beschlüsse wegen mangelnder Einstimmigkeit auf Belém vertagt.
Laut aktuellen Studien liegen die klimabedingten Schäden und Verluste 2025 im Mittel bei etwa 395 Milliarden Dollar jährlich. Aber für den Fonds für loss and damage gab es Anfang Juli 2025 nur Zusagen für 768 Millionen Dollar – 560 Millionen Dollar davon als unterschriebene Verträge. Auf dem Konto des Fonds liegen derzeit 361 Millionen Dollar.(9) Damit könnte der Fonds nur ein Jahr lang 0,1% der benötigten 395 Milliarden Dollar decken.
In dieser Größenordnung rangiert auch Luxemburg: Der laut einer ASTM-Studie aus dem Jahre 2022 festgestellte „faire » Beitrag unseres Landes zur Entschädigung für klimabedingte globale Verluste und Schäden läge um 300 Millionen € – versprochen hat Luxemburg 2023 auf der COP28 in Dubai 8 Millionen €, ausgezahlt aber noch nichts. Diese 8 Millionen € entsprechen nicht einmal 3% des fairen Beitrags, den Luxemburg jährlich leisten müsste.(10)
Die Nationalen Reduktionsziele (NDCs)
Die jüngste Hitzewelle hat uns nochmal spüren lassen, wie dringend es ist, die Treibhausgase zu reduzieren. Die Staaten mussten bis Februar 2025 ihre nationalen Reduktionsziele dem UN-Klimasekretariat vorlegen – allerdings haben dies nur 13 der 195 Staaten getan, und sie repräsentieren nicht einmal 20% der globalen Emissionen(11) Laut Prof. Niklas Höhne vom New Climate Institute steuern wir derzeit auf + 2,7° C zu und können +2,1° C erreichen, wenn alle ihre Planziele einhalten.(12)
In den NDCs fehlen durchweg Zeitpläne zum Ausstieg aus den fossilen Energien und Angaben zur Höhe der öffentlichen Zuschüsse für Anpassungsprojekte und Erstattungen für die Verluste und Schäden im globalen Süden. Luxemburg hat sich bisher als einziges Land immerhin festgelegt, dass die Klimagelder neu und zusätzlich zur Entwicklungshilfe sein sollen.
Die EU legte ihre Ziele erst am 2.7. (siehe Kasten „Die Klimaziele der EU“) vor. Überhaupt ist die Rolle der EU in Bonn enttäuschend: Da die USA nach ihrem Austritt aus dem Paris Agreement nicht an der Konferenz teilnehmen, waren die Erwartungen an die EU groß. Doch es zeigte sich, dass sie sich bisher nur gut hinter den USA verstecken konnte. Die Rolle des lead nimmt nach Meinung vieler Experten mittlerweile China ein.
Die fossilen Akteure
Globale Öl- und Gasfirmen scheren sich herzlich wenig um Klimakrise und Klimakonferenzen – sie explorieren und fördern einfach weiter: Allein vier Staaten – die USA, Kanada, Norwegen und Australien – sind verantwortlich für fast 70% der projizierten CO2-Emissionen von jetzt bis 2035 (siehe Schaubild).
Und auch das positive Bild Luxemburgs im Bereich der Klimafinanz darf nicht über das Ausmaß seiner Emissionen und deren Folgen hinwegtäuschen: Die CO2-Emissionen pro Kopf liegen derzeit bei 12 Tonnen (EU 8, Welt 6,5 Tonnen). Die Klimaschäden, die durch die Kredite des Luxemburger Pensionsfonds und des gesamten Finanzmarktes für fossile Konzerne verursacht werden, dürften in die Milliarden gehen.(13) Der am 4.7.25 angekündigte Rahmenplan der Regierung zur Bindung, Speicherung und Nutzung von Kohlenstoff aus der Luft setzt auf technologisches Wunschdenken statt auf Emissionsminderung.(14)

(Dietmar Mirkes)
Der „People’s Summit“ in Belém
Der UN-Klimaprozess kann längst nicht mehr mit dem Tempo der Klimakrise mithalten, dennoch brauchen die ärmeren und schwachen Staaten den Multilateralismus. Der Prozess braucht aber dringend eine Reform und Druck von außen. Klimaklagen und die Bewegung für Naturrechte boomen und die globale Zivilgesellschaft lebt: In Belém wird es neben dem offiziellen Klimagipfel den „People’s Summit“ geben.(15) Über 570 NGOs aus aller Welt beteiligen sich bereits daran; er soll einen Impuls „from the Amazon to the world“ geben. Die ASTM wird mit Raymond Klein und David Hoffmann sowohl an der COP30 als auch am „People’s Summit“ teilnehmen.
Die Klimaziele der EUDie EU veröffentlichte am 2.7.25 ihr Klimaziel für 2040: eine Reduzierung der Netto-Treibhausgasemissionen um 90 % gegenüber dem Jahr 1990. Bis zu 3% der Reduktionen können über internationale CO₂-Kompensationen realisiert werden (was nach Meinung vieler Experten ihrer Glaubwürdigkeit schadet). Zudem schafft die EU mit ihrer Öffnung für Kohlenstoffentfernung aus der Luft (sogenannte removals), Geoengineering-Projekte und dem neuen „Fahrplan für Nature Credits“11 immer mehr neue Märkte für „grünes Wachstum“, statt zum Beispiel dafür zu sorgen, dass ihre Mitgliedsstaaten Mittel für die Exploration und Förderung neuer Öl- und Gasquellen streichen. |
Quellen
1. Imperial Grantham Institute, Climate change triples heat-related deaths in early summer European heatwave, 06.25.
2.Constance Malleret, „Brazil to auction oil exploration rights months before hosting Cop30“, The Guardian, 13.06.25. Online verfügbar unter: https://www.theguardian.com/environment/2025/jun/13/brazil-to-auction-oil-exploration-rights-months-before-hosting-cop30
3. „UN Climate Talks: Civil Society and Indigenous People’s Groups Urge Reform Ahead of COP30“, Center for International Environmental Law, 23.06.25. Online verfügbar unter: www.ciel.org/news/un-climate-talks-bonn-civil-society-urges-reform-ahead-of-cop30/
4. Pressekonferenz PACJA vom 17.6.
5. Pressekonferenz von CAN-International am 19.6.25
6. Ibid.
7. Ibid.
8. Pressekonferenz von CAN-International am 24.6.25
9. The Loss and Damage Collaboration https://www.linkedin.com/company/the-loss-and-damage- collaboration/posts/?feedView=all (9.7.25 gesehen)
10. ASTM (Hg.): Eine Frage der Verantwortung Luxemburgs fairer Beitrag zur Finanzierung der globalen Verluste und Schäden durch die Klimakrise, Luxemburg Nov. 2022.
11. Daisy Dunne, Analysis: 95% of countries miss UN deadline to submit 2035 climat e pledges, CarbonBrief, 01.10.25. Online verfügbar unter: www.carbonbrief.org/analysis-95-of-countries-miss-un-deadline-to-submit-2035-climate- pledges/
12. Side-Event Climate Analytics, CAN-E etc. am 26.6.25: New NDCs: where do we stand ahead of COP30?
13. EU Commission press release Jul 7, 2025 Brussels: Nature Credits Roadmap to reward nature- positive action and boost private finance
14. ASTM & Greenpeace: Dirty and Dangerous, Luxemburg 2022
15. Le Luxembourg adopte un cadre d’action pour les technologies de captage et d’élimination du dioxyde de carbone (04.07.2025),https://gouvernement.lu/fr/gouvernement/serge-wilmes/actualites.html